Version 00004, Stand 29. Juni 2023

Gegangene Wanderung am 10. April 2023:

Tecklenburg – Stift Leeden - Lengerich - Tecklenburg

Teilnehmer Kerstin Enders, Thorsten Enders, Monika Marscheider, Andreas Scheer, Gabriele Scheer, Oliver Seeburger, Katrin Sundermeier
Laufrichtung im Uhrzeigersinn
Streckenlänge 24,6 km
Höhenunterschied 202 m (höchster Punkt) - 89 m (tiefster Punkt) = 113 m
GPS-Datei tecklenburg_X_stift_leeden_X_lengerich_X_tecklenburg.gpx

Es ist Samstag der 01. April 2023 kurz vor Mitternacht. Wir befinden uns auf einer schönen Geburtstagsparty und sind alle schon ein bisschen angeheitert. Da regt eine gute Freundin an: Wir könnten doch am Ostermontag eine längere Wanderung machen. Das Ziel liefert sie gleich mit, nach Tecklenburg soll es gehen. Ja, da hat sie Recht, da wollten wir immer schon mal hin. Gut, abgemacht. Zwei weitere Partygäste wollen spontan auch mit. Ja, ja, denke ich noch, erstens: Aprilscherz und zweitens: Morgen erinnert sich ohnehin niemand mehr daran. So beginnen oftmals wundervolle Touren.

Drei Tage später habe ich etwas Zeit. Die Wettervorhersage für Ostermontag verspricht trocken, warm und sonnig. Und so erarbeite ich - auf Basis einer früheren Wanderung, die ich dort einmal unternommen habe - einen kleinen Tourenvorschlag. Per WhatsApp sende ich den an alle, die auf der Party Interesse bekundet haben und bin überrascht, ich erhalte sogleich einige Zusagen.

Dann ist der Ostermontag da. Eine Ostermontagswanderung zu machen, hatte früher bei mir Zuhause eine lange Tradition. Das ist der sogenannte Emmausgang. Der soll daran erinnern, wie die Jünger von Jesus Christus einige Tage nach dessen Kreuzigung zu dem Örtchen Emmaus gingen und wie sich dann unterwegs der auferstandene Jesus Christus zu ihnen gesellte und wie sie ihn erst am Ziel erkannten und ihn dann so gerne bei sich behalten hätten. Allerdings waren meine Eltern früher zwar gläubig aber nicht besonders fit, weshalb die Ostermontagswanderung wohl eher ein Ostermontagsspaziergang war.

Um 10:00 Uhr treffen wir uns bei mir vor der Haustür. Die Wettervorhersage hatte recht, es ist ein schöner Tag und noch mehr freut mich, dass meine Mitwanderer die netteste Truppe ist, die man sich vorstellen kann. Ich wüsste nicht, mit wem ich lieber unterwegs wäre. Und alle sind absolut unerschrocken im Bewältigen längerer Distanzen. Es herrscht freudige Erwartung. Alle sind gespannt auf die schöne Strecke, die ich uns ausgesucht habe.

Wir fahren mit zwei Autos los und sind ziemlich genau um 11.00 Uhr in Tecklenburg. Wir parken unsere Autos auf dem Parkplatz P5 Am Weingarten 48 am westlichen Ortsrand unmittelbar unter dem Bismarckturm. Der Parkplatz ist zwar gebührenpflichtig - das Tagesticket kostet 4,00 Euro -, aber hier bekommt man immer zuverlässig einen Parkplatz und das ist besser, als in den engen Gassen von Tecklenburg auf der Suche nach einem Parkplatz herum zu kurven. Wie so oft starten wir mit einem kleinen Imbiss direkt aus dem Kofferraum heraus. Diesmal kein Sekt sondern Kaffee und selbst gemachter Kuchen. Dann geht es los.

Abb. 1: Marktplatz in Tecklenburg

Vom Parkplatz aus folgen wir der Straße „Am Weingarten“ nach links. Auf der anderen Straßenseite sind der imposante Bismarckturm und links davor das „Hotel Bismarckhöhe“ zu sehen. Dort im Hotelrestaurant könnte man am Ende der Wanderung noch schön einkehren und auf der Sonnenterrasse den tollen Ausblick genießen, doch bis dahin ist es noch lange hin. Wir gehen noch circa 200 Meter weiter und biegen in die erste Straße nach links ein. Diese Straße führt uns in einem lang gezogenen Rechtsbogen genau in den historischen Ortskern von Tecklenburg. Dabei gibt es immer wieder schöne Aussichten in die Tiefebene links von uns. Dort unten befindet sich auch der Kurpark von Tecklenburg, den wir aber heute nicht besuchen. Wir gehen an schönen Fachwerkhäusern vorbei, passieren die Burganlage zu unserer Rechten, schlendern an einer schönen Gartenwirtschaft vorbei, wo schon die ersten Gäste unter Sonnenschirmen Platz genommen haben. Dann kommt der Kartenvorverkauf der Freilichtbühne. Dann eine zauberhafte Frittenbude. Ja, auch so was gibt es. Und nachdem wir unter dem Stadttor hindurchgegangen sind, befinden wir uns mitten im Herzen von Tecklenburg auf den Marktplatz mit seinen schönen Lokalen und Geschäften. Spätestens hier möchte man schon die erste Pause machen, aber das geht nicht, wir sind ja gerade erst losgegangen. Unser Wandertempo ist am absoluten Nullpunkt angekommen, so pittoresk und sehenswert ist hier alles.

Wir verlassen den Marktplatz halblinks durch die Geschäftsstraße. Dort hatte ich mir im Eiscafé „La Fenice“ ein Eis auf die Hand erhofft, das hat aber noch geschlossen. Schade. Nachdem wir am „Hotel Drei Kronen“ vorbei sind, biegen wir nach links ab und gehen ein paar Meter bergauf. Vor der öffentlichen Bedürfnisanstalt biegen wir rechts in die Hohlgasse ein. Es geht weiter bergan. Danach unterqueren wir ein Fußgängerbrückchen, passieren eine Schule zu unserer Linken und genau so schnell wie wir nach Tecklenburg rein gekommen sind sind sind wir auch schon wieder raus.

Schnell ist die größere „Pagenstraße“ erreicht. Dieser folgen wir einige Meter nach links. Und kurz nachdem wir an den letzten Häusern vorbei gewandert sind, biegen wir nach rechts in die „Gräfenstraße“ ab. Fast automatisch wechselt man von der „Gräfenstraße“ auf den nach rechts abzweigenden „Hermmannsweg“ und dieser führt uns immer geradeaus haltend zur Autobahn A1 Osnabrück - Münster. In schwindelerregender Höhe überqueren wir die Autobahn. Die Brücke ist durch hohe Zäune beidseitig gesichert. Man hat wohl Angst vor Selbstmördern. Hinter der Autobahn wählen wir den linken Weg, der erst einige wenige Meter bergan führt aber sogleich stetig sanft bergab auf Stift Leeden zuführt.

Abb. 2: Stift Leeden

Wenn der Wald endet, geleitet uns ein einseitig mit Obstbäumen gesäumtes Asphaltsträßchen direkt zur Stiftskirche. Rechts und links der Kirche gibt es erneut zwei Restaurants, die zum Verweilen einladen. Der Parkplatz steht voller Autos und ich befürchte, dass ich die Stiftskirche heute nicht besichtigen kann, weil eventuell Ostergottesdienst ist. Doch die Autos gehören wohl zu einer Familienfeier im rechten Gasthaus, denn die Kirche ist menschenleer. Ich schaue hinein, aber sie ist schmucklos. Dennoch scheint sie eine gewisse Bedeutung zu haben, denn sie ist Pilgerstätte des Jacobswegs, der hier deckungsgleich mit unserer Wanderung ist. Wir gehen links an der Kirche vorbei und entdecken das historische Pfarrhaus, dann das ebenso schöne Dorfgemeinschaftshaus. Wenig später den hübsch zurechtgemachten Dorfteich mit Fitnessgerätschaften, Kneippbecken und Skulpturenpark.

Hinter dem Teich verlassen wir Stift Leeden nach rechts. Aber keine Angst wir bleiben nicht auf der großen Ortsausgangsstraße, sondern biegen sogleich in den erste Weg nach rechts ab. Dieser führt uns an der Nordseite des Fangbergs entlang. Aber Achtung. Wer diesen Weg bis zum Ende geht endet im Nirwana. Man muss sich irgendwann nach rechts in den Berg hinein bis zu seinem Kamm hinauf kämpfen und dort oben dem Kammweg nach links folgen. Später führt der Weg dann auf der Südseite des Fangbergs zur Straße „Am Ritterkamp“ hinab. Dieser Straße einige Meter westwärts folgen und in das nächste Sträßchen nach links abbiegen.

Dann folgt ein längeres Stück schöne Wiesen- und Feldflur. Noch einmal links abbiegen und bald ist unser Imbiss- und Rastplatz erreicht. Schön. Sauber. Überdacht. Hier machen wir eine längere Pause und verzehren unseren Rucksackproviant. Die ersten 10km sind geschafft!

Abb. 3: Zementwerk Dyckerhoff

Weiter geht’s noch ein ganzes Stück über kleine Landstraßen. Wir überqueren Bahngleise, danach links abbiegen. Weiter bis zur Landstraße. Dort eine Rechts-Links-Kombination. Vor einem Busunternehmen geht es links hinein. Und dieser Straße folgen wir noch ein gehöriges Stück. Dann endlich tut sich wieder richtig was. Wir gehen zwischen zwei Wiesen schnurstracks rechts den Berg hinauf, bis sich oben ein großartiger aber auch schaurig schöner Blick in die Abgrabung „Dyckerhoff“ in Lengerich auftut. Hier ist jahrzehntelang Kalk zur Zementherstellung abgebaggert worden. Entsprechend groß ist das Loch.

Hier oben stehen wir nun mitten im Gebirgszug des Teutoburger Waldes und befinden uns deshalb auch gleichzeitig auf dem mit H gekennzeichneten Hermannweg (oder neuerdings auch Herrmannshöhenweg). Wir folgen dem Herrmannsweg nach rechts, aber Verlaufen ist auch nicht möglich, weil der Weg ohnehin nur nach rechts abzweigt. Wir folgen nun einfach immer dem Hermannsweg und genießen derweil die abwechslungsreiche Landschaft. Eine halbe Stunde später kreuzen wir die „Bergstraße“, die nach Lengerich hinabführt. Hier gehen wir noch geradeaus weiter, aber an der nächsten Abzweigung steigen wir links hinab. Erneut erreichen wir die „Bergstraße“, der wir nun in Richtung Lengerich folgen. Wenige Meter später sehen wir unser zweites Pausenziel vor uns, das „Bergcafé Egbert“. Hier kehren wir ein. Im Bergcafé ist die Zeit stehengeblieben. Ein verwunschenes 70er Jahre Flair umgibt uns. Weil das Wetter schön ist, nehmen wir auf der Terrasse Platz mit herrlichem Blick in den Garten. Kaffee und Kuchen schmecken, die Rechnungsstellung etwas später zeigt einen gleichsam herrlichen Fall von Dyskalkulie. Schwamm drüber, wir haben Freizeit, die müssen arbeiten und der Arbeitstag war anscheinend lang. Es sind diese Kleinigkeiten, die Wandern manchmal zu einem echten Erlebnis machen.

In Lengerich befinden sich mehrere große Kurkliniken des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe. An deren Nordseite wollen wir unsere Wanderung fortsetzen. Dumm nur, dass gerade ein großer Klinikneubau an eben dieser Straße ausgeführt wird und deshalb die Straße gesperrt ist. Und so quälen wir uns mitten durch den angrenzenden Wald an der Baustelle vorbei. Leider ist die Baustelle lang. Beim Anblick der Kuranlagen fühle ich mich sofort an Thomas Manns „Zauberberg“ erinnert und so schwadroniere ich darüber, dass das hier die örtliche Nervenheilanstalt sei. So ganz unrecht habe ich nicht. Später fand ich an genau dieser Stelle auf einer historischen Karte die „Irrenanstalt Bethesda“ eingezeichnet.

Abb. 4: Blick in den Canyon

Am westlichen Ende des Klinikgeländes treffen wir auf eine lange Hecke die über und über mit Ostereiern verziert ist. Daran schließt sich eine hübsch restaurierte Friedhofskapelle an. Wir queren den alten Friedhof und kommen unvermittelt zum eigentlichen Highlight von Lengerich, dem „Canyon“ und dem extra dafür angelegten „Blick in den Canyon“. Auch hierbei handelt es sich wieder um einen Kalksteinbruch, der in den 80er Jahren stillgelegt wurde und nunmehr mit türkisblauem Wasser vollgelaufen ist.

Oberhalb des Canyons gehen wir weiter Richtung Tecklenburg. Der Weg fällt gegen Ende des Canyons je hinab. Unten erreichen wir eine Straße. Auf dieser unterqueren wir diesmal erneut die Autobahn A1. Hinter der Autobahn geht’s direkt wieder links in den Wald hinein. Kurz vor Tecklenburg erreichen wir dann das alte Rittergut „Haus Marck“ mit den schönen Fischeteichen. Dann folgen wir noch kurz der Eisenbahnstrecke nach Westen, erreichen sodann den alten Bahnhof und direkt am Bahnhof schwingen wir uns nach rechts den Hexenpfad hinauf. Dort am Ende des Hexenpfads haben wir dann wieder den Bismarckturm erreicht und stehen alsbald wieder am Auto.

Wir haben es geschafft. Obwohl wir nun eine Stärkung vertragen könnten, wollen wir nicht mehr einkehren. Morgen, am Dienstag beginnt eine neue Arbeitswoche und alle wollen nur noch nach Hause und auf’s Sofa. Das ist halt der Nachteil von Ostermontag. Wäre heute Freitag oder Samstag gewesen, wären wir sicherlich noch schön eingekehrt. So verflüchtigen wir uns lieber, wie seinerzeit Jesus Christus bei seinen Jüngern in Emmaus direkt nachdem er das Brot brach. Aber anders als diese, sehen wir Wandergefährten uns sicherlich schnell wieder. Ich freue mich schon drauf.

Und: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als“ (Lk 24,32) wir heute bei diesem schönen Wetter, in dieser herrlichen Natur, mit diesen tollen Freunden unterwegs waren? Emmausgang eben.

Oliver Seeburger, Schwalbenweg 13, 32609 Hüllhorst, Deutschland